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Rückblick 5 Jahre eBay.ch oder weshalb verliert der SCB gegen den EVZ?

10. März 2009 um 11.45 Uhr
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Der SCB ist erneut in der Viertelfinalserie gescheitert, dieses Mal gegen den EV Zug. Was hat das mit eBay.ch und meinem Rückblick zu tun? Einer der Sponsoren des EVZ ist Ricardo.ch, eBay.ch ist (mit wesentlich geringerem Betrag) auch aktiver Partner des SCB. Somit hat auch Ricardo.ch gegen eBay.ch im Viertelfinal der Playoffs gewonnen. Wie konnte es dazu kommen? (Überlassen wir die Analyse des SCB Scheiterns den Eishockeyprofis und fokussieren hier lieber auf den e-commerce Aspekt).

Weshalb ist Ricardo.ch in der Schweiz so stark?

Mit dieser Frage wurde ich während meiner Zeit bei eBay öfters konfrontiert. Es gibt meiner Meinung nach drei Hauptgründe, welche die Marktsituation in der Schweiz erklären:

1. First-mover Advantage
2. Fokus Schweiz
3. Konsistente Strategie

Zu 1:
Ricardo.ch feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum (genau wie eBay.de). eBay existiert bereits seit 1995, die deutsche Plattform war die erste Akquisition ausserhalb des englisch-sprechenden Raums (1999), der Schweizer Marktplatz eBay.ch existiert eigentlich erst seit 2004. Somit hatte Ricardo.ch in der Schweiz einen beachtlichen First-mover Advantage. Dies alleine reicht aber nicht aus, um den Erfolg von Ricardo.ch in der Schweiz zu erläutern.

Zu 2:
Das ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt: Für Ricardo spielte und spielt die Schweiz eine zentrale Rolle, für eBay ist die Schweiz ein wichtiger Gesellschaftssitz, nicht aber ein wichtiger Marktplatz. Ricardo.ch ist verantwortlich für einen grossen Anteil des Umsatzes der QXL Gruppe; interessanterweise ist ja Ricardo.ch eine 100% Tochtergesellschaft von Ricardo.de AG, die ihrerseits noch an der Börse in Frankfurt gehandelt wird (es sind noch knapp 3% des Kapitals im freien Verkehr (Stand März 2009), der Rest gehört Tradus plc). Somit sind wesentliche Zahlen von Ricardo.ch öffentlich zugänglich – eine Tatsache, die mir während meiner Zeit bei eBay.ch sehr lange nicht bewusst war (der Mehrheit der Schweizer Journalisten geht’s übrigens gleich, noch heute werden Umsatz etc. von Ricardo.ch immer sehr grob geschätzt). So kann man zum Beispiel dem Jahresfinanzbericht 2007/2008 folgendes entnehmen:

„Die ricardo.de AG ist Muttergesellschaft mehrerer anderer Gesellschaften. Hierunter ist allerdings ausschliesslich die ricardo.ch AG, Zug, Schweiz, von Bedeutung, deren sämtliche Anteile die ricardo.de AG am 11. November 2003 von der QXL ricardo plc (aktuelle Firmierung „Tradus“), London, Vereinigtes Königreich, erwarb. (…)

Im Verhältnis zu den Erlösen, die der ricardo.de AG durch ihre Beteiligung an der ricardo.ch AG zufliessen, sind die aus dem eigenen operativen Geschäft erzielten Erlöse jedoch wirtschaftlich unbedeutend. (…)

Bereich Schweiz: So stiegen die Erlöse aus den unmittelbaren Nutzungsentgelten für de Auktionsplattform von EUR 10.8 Mio. im Vorjahr auf EUR 14.5 Mio. im Berichtsjahr. Dies bedeutet einen Anstieg um 34%.“

Die Zahlen von eBay.ch sind nicht öffentlich (und ich werde das auch nicht ändern), was ich sagen kann ist folgendes: Ricardo.ch ist in Sachen Umsatz grösser als eBay.ch, was aber die „bottom line“ angeht, glaube ich, dass eBay.ch erfolgreicher ist, aufgrund der zentralen Dienstleistungen, die in Europa (z.B. Kundendienst) oder sogar auf globaler Basis (z.B. Produktentwicklung) erbracht werden und somit die Kostenseite in den Ländern entlasten.

Fokus Schweiz bedeutet aber auch, dass man eine zweisprachige Plattform unterhält, dass man Schweizer Zahlungsmethoden unterstütz und die Kategoriestruktur auf die Schweiz anpasst – alles Faktoren, die eBay nicht berücksichtigt hat.

Zu 3:
Ricardo.ch verfolgt seit Jahren eine konsistente Strategie: den Schweizer C2C Markt ankurbeln, mit stetigem Wachstum auch im Bereich B2C, d.h. fokussiert auch grosse Verkäufer auf die Plattform bringen und mit diesen wachsen. Zudem zeichnete sich Ricardo.ch auch durch Konsistenz in der Führung aus; Peter Oertlin trat erst 2008 nach 8 Jahren an der Spitze von Ricardo.ch zurück.
eBay.ch hat mehrere strategischen Schwenker in der Schweiz vollzogen; zuerst hat man „cash cow“ gemelkt, dann doch lokal investiert, nachdem man aber operativ ein paar Fehler gemacht hatte und somit der lokale Markt bereits sehr stark durch Ricardo.ch abgedeckt wurde. 2007 wurde nach einer weiteren „strategic review“ der Entscheid gefällt, dass Schweizer Geschäft auf den internationalen Handel zu fokussieren; das heisst, Förderung von Import und Export, den zwei Elementen, die eBay auch einzigartig machen. Das macht sicherlich Sinn.
Zu den „strategischen Schwenker“ kamen auch zahlreiche Veränderungen im Management von eBay.ch; der traurige „Rekord“ – einen Geschäftsführer für 4 Wochen, bevor er weiterzog – wurde von weiteren Wechseln (z.B. Leiterin Marketing / Finanzleiter Wechsel nach 6 Monaten) begeleitet.

Das sind aus meiner Sicht die Hauptgründe dafür, dass Ricardo.ch in der Schweiz weiterhin sehr erfolgreich ist und dies sicherlich auch in Zukunft sein wird. eBay hat mit der letzten Reorganisation ganz klar den Trend zur Zentralisierung verstärkt. Somit werden die Ressourcen noch stärker auf die grossen Länder gerichtet, und die kleinen Märkte müssen schauen, dass noch etwas für sie „abfällt“. Das ist traurig, aber entspricht der Realität. eBay.ch wird weiterhin existieren, gross wachsen wird der Marktplatz sicherlich nicht. eBay wird somit in der Schweiz immer mehr zum „Tor zu Welt“ – deckt internationale Shoppingbedürfnisse ab. Sobald man etwas in der Schweiz kaufen möchte, ist sicherlich Ricardo.ch erste Wahl.

Wie wird sich eBay global weiterentwickeln? Darüber gibt es sehr viele Meinungen; Tatsache ist, dass das Kerngeschäft (Auktionen) nicht mehr wächst und eBay herausgefordert wird durch andere (grosse und kleine) e-commerce Anbieter. Was mir ein wenig fehlt ist die Vision, wohin möchte eBay gehen. Ich teile da die Meinung von Scot Wingo, einem sehr guten eBay Kenner. Ich hoffe, dass eBay den Weg aus der negativen Spirale finden wird und wieder durch gesunde Wachstumszahlen glänzen kann…bald einmal in naher Zukunft.

Bin ich nun EVZ Fan? Nein, meine Leidenschaft gehört weiterhin dem SCB – die nächste Saison kommt bestimmt…